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Das Thema "Grundeinkommen" polarisiert und spaltet die Gesellschaft. Gerade in Zeiten der Corona-Krise wird das Thema immer wieder aufgegriffen. Herr Prof. Dr. Joachim Weeber ist Honorarprofessor an der NORDAKADEMIE und arbeitet als Sachgebietsleiter bei der Deutschen Bundesbank im Bereich Banken und Finanz-Aufsicht. Er hat sich intensiv mit dem Thema Grundeinkommen beschäftigt und zeigt auf, dass aus ökonomischer Sicht solche Überlegungen kritisch zu bewerten sind.

Geschrieben von Florian Lapiz | Sep 30, 2021 9:33:00 AM

„In Finnland gab es hierzu einen Modellversuch, in der Schweiz lehnte es zwar die Mehrheit der Bevölkerung ab, trotzdem wollten es gut 23 % der Bevölkerung einführen und in Deutschland haben solche Gedanken auch politische Parteien wie die Grünen, die Linke oder auch die AfD in ihren Plänen oder prominente Unternehmer wie den dm-Gründer Götz Werner als Befürworter: Die Rede ist vom Grundeinkommen. Was steckt hinter diesem Konzept?

Hinter diesem Begriff verbergen sich unterschiedliche Ausgestaltungsalternativen. Sie reichen von einem festen Zahlbetrag für Einzelpersonen ohne Gegenleistung, ein sogenanntes Bedingungsloses-Grundeinkommen (BGE), bis hin zu in einem Steuer-Transfer-System, das ganz unterschiedliche Bedarfssituationen in Lebensgemeinschaften berücksichtigt und in seiner Höhe vom bereits vorhandenen Einkommen abhängig ist.

Dabei sind die konkreten Ausgestaltungswünsche je nach politischem Standpunkt unterschiedlich. Eine solche staatliche Leistung wäre mit einer Abkehr von bekannten Sozialstaatssystemen verbunden.

Solche Radikalmodelle wie ein Grundeinkommen sind allerdings bereits früher diskutiert, in Industriestaaten aber nie umgesetzt worden. Die Idee eines an keine Bedingungen gewährten Minimaleinkommens fußte zunächst auf ethisch-moralischen Überlegungen.

So sind erste Ansätze, die auf eine Grundeinkommensgarantie hinauslaufen, bereits im Speenhamland-Gesetz manifestiert. Hier wurde in einigen Grafschaften Englands von 1794 bis 1834 quasi ein Minimaleinkommen in Form von Zuschüssen zum Arbeitslohn garantiert. Die ersten neueren Vorschläge wurden in den USA und Großbritannien vor allem in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts im Rahmen einer Armutsdiskussion hervorgebracht. In Deutschland haben die neuen sozialen Fragen sowie die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona Krise dieser Idee einen neuen Schub gegeben.

Aus ökonomischer Sicht sind solche Überlegungen kritisch zu bewerten. So deuten theoretische Analysen als auch die wenigen praktischen Erfahrungen aus Sozialexperimenten zum Grundeinkommen auf negative Effekte etwa für den Arbeitsmarkt hin. Die Anreize Arbeit aufzunehmen, hängen zwar merklich von der Form der Ausgestaltung einer solchen Leistung ab, jedoch zeigen die Ergebnisse, dass eine Grundeinkommensleistung, die sich am Ziel der Vermeidung von Einkommensarmut ausrichtet und möglicherweise darüber hinausgeht, auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet und einen möglichst großen Personenkreis umfasst, keine positiven Reaktionen auf den Arbeitsmarkt ausübt.

Umfragen in Deutschland zufolge, könnten nach Überschlagsrechnung etwa 17 % der Beschäftigung und gearbeiteten Stunden wegfallen. Oder wie es der deutsche Ökonom Gerhard Bäcker so treffend formuliert hat: „Warum sollten (physisch wie psychisch) hart Arbeitende, die ihre Erwerbstätigkeit keineswegs nur als Erfüllung, sondern eben auch als Last erleben, denn bereit sein, ein Nichtstun durch ihre Abgaben zu finanzieren?“. Auch die Auswirkungen z. B. auf das wirtschaftliche Wachstum, die Entwicklung des Preisniveaus sowie hinsichtlich Verteilungseffekten werden kritisch gesehen – vor allem, wenn Finanzierungsaspekte in die Analyse einbezogen werden.“

Die vollständige Analyse von Prof. Dr. Joachim Weeber ist im Springer Verlag als Monografie im Mai 2021 erschienen unter „Grundeinkommen – Eine ökonomische Betrachtung“.

Prädikat: Lesenswert!


Die vollständige Analyse ist im Springer Verlag als Monografie im Mai 2021 erschienen: „Grundeinkommen – Eine ökonomische Betrachtung“.