19.02.2020 Hochschule

[NORDAKADEMIE Interview] Prof. Dr. Henrique Schneider

Im Kurzinterview erläutert er, wie es dazu kam, wie er die Klimakonferenz erlebt hat, was seiner Meinung nach die größten Herausforderungen in diesen beiden Gremien sind und welche Erfahrungen er daraus für seine Arbeit an der NORDAKADEMIE mitnimmt.

Wie kam es dazu, dass Sie die Schweiz bei der Klimakonferenz der Vereinten Nationen vertreten durften?

Als Ökonom setze ich mich mit Umweltökonomie auseinander, insbesondere mit sogenannten Märkten für Emissionsreduktionen. Das sind Klimaschutzinstrumente im Kyoto Protokoll und im Übereinkommen von Paris. Aufgrund meiner Erfahrung mit diesen Instrumenten wurde ich als Experte und Verhandler herbeigezogen – im übrigen war ich schon bei vielen Klimakonferenzen, zum Beispiel in Paris im Jahr 2015.

Wie haben Sie die Klimakonferenz erlebt?

Klimakonferenzen sind technische Verhandlungen. Auch wenn die Medien eine große Geschichte daraus machen: Es geht nicht um die Welt, oder gar um das Klima. Es geht um Länder, die sich in Verträgen miteinander austauschen. Entsprechend ist jede Klimakonferenz minutiöse Arbeit an Vertrags- und ähnlichen Texten.

Wir in den Marktinstrumenten haben eine schwierige Aufgabe. Märkte entstehen aus spontaner Ordnung. Die Marktmechanismen im Klimabereich sind künstliche Märkte, d.h. sie entstehen aufgrund von Planung. Entsprechend genau müssen die Regeln und Rahmenbedingungen für diese Märkte abgemacht werden.

Was bedeuten Fridays for Future/gesetzliche Klimaauflagen für die deutsche/europäische Industrie? Sind die Interessen miteinander vereinbar?

Wir müssen aufpassen, dass wir Klimaschutz nicht ideologisieren. Klima und Klimaschutz ist eine fein austarierte Sache. Dieser Balanceakt muss verschiedene Bedürfnisse identifizieren und berücksichtigen. Klimaschutz wird nur gelingen, wenn man Interessen miteinander verbindet. Entsprechend helfen hier Streiks und Forderungen nicht; Radikalisierung ist gar schädlich.

Gesetzliche Klimaauflagen sind wiederum ein zweischneidiges Schwert. Das mag überraschen, aber als Ökonom halte ich nichts von Steuern, Emissionshandel oder Subventionen, auch wenn ich sie verhandle. Ich bevorzuge Technologie und, wenn es sein muss, gesetzliche Auflagen, welche den besten verfügbaren Stand der Technik umsetzen. Das geht nicht ohne Mehrkosten, doch es kann, in einigen Fällen, zu höherer Produktivität führen.

Wofür steht die Internationale Fernmeldeunion?

Die Internationale Fernmeldeunion ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und die einzige Organisation, die sich offiziell und weltweit mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschäftigt. Dazu gehört die Koordination der Satelliten oder die Schaffung von globalen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung.

Was sind ihre Aufgaben im dazugehörigen Independent Management Committee?

 

Die Internationale Fernmeldeunion hat als erste UN-Organisation umfassende Überlegungen zur „Good Governance“ gemacht. Das Ergebnis war die Schaffung einer Organisation, die ähnlich einem Verwaltungsrat ist. Sie hinterfragt die Entscheidungen des Managements und erhöht so die Effektivität und Effizienz der Entscheidungen und Prozesse.

 

Welches sind die wesentlichen Punkte, die Sie aus Ihrer Tätigkeit bei der Klimakonferenz und der Fernmeldeunion für Ihre tägliche Arbeit mitnehmen können?

 

Ökonomische Theorie ist mehr Tun als Denken – eigentlich ist sie nur Tun. Es geht darum, das, was ich lehre, anzuwenden. Was ich zurückerhalte, ist eine Fülle von Erfahrungen und auch Fallstudien, die ich wiederum in meinen anderen Tätigkeiten einsetzen kann, zum Beispiel in der Lehre an der Nordakademie.