Nach seiner Dissertation als Dr.-Ing. Maschinenbau an der TU Braunschweig hat Dr. Oliver Lücke bei großen Unternehmen Verantwortung getragen: Bei dem Energiekonzern ABB (Leiter Supply Chain Management), dem Gabelstaplerhersteller Jungheinrich (CTO Vorstand Technik), dem Gabelstaplerhersteller KION Group (Executive Vice President Production System / COO) und dem Medizintechnikhersteller Eppendorf (Senior Vice President Technical Division Instruments). Seit März 2025 lehrt der 58-Jährige Logistik und Prozessmanagement an der NORDAKADEMIE.
Campusforum: Sie sind im Frühjahr aus der Wirtschaft kommend in die Lehre an der NORDAKADEMIE gestartet. Wie sind Ihre ersten Eindrücke?
Dr. Oliver Lücke: Die NORDAKADEMIE kenne ich tatsächlich schon etwas länger: Ich habe im Oktober 2024 als Gastdozent an der Hochschule begonnen. Eigentlich kenne ich die NORDAKADEMIE schon seit über 20 Jahren – von der betrieblichen Seite. Den ersten Dualen Studenten von Jungheinrich habe ich damals als Produktionsleiter von der betrieblichen Seite betreut. Nach langer Zeit schließt sich jetzt der Kreis.
Campusforum: Sie sprechen Jungheinrich an. Welche Rolle haben die beruflichen Stationen für Ihren Karriereweg gespielt? Was war prägend?
Dr. Oliver Lücke: Das meiste gelernt habe ich immer in den Unternehmensbereichen und bei Themen, die völlig neu für mich waren. Natürlich muss man seine Kompetenzen, seinen fachlichen Anker haben. Aber immer wieder die eigene Komfortzone zu verlassen, brachte mich am meisten weiter. Wenn Studierende einen Auslandsaufenthalt planen, würde ich ihnen immer raten: Geh nicht dahin, wo du in den Urlaub hinfährst, sondern in eine für dich unbekannte Ecke der Erde. Dort musst Du die Kultur, die Sprache, das tägliche Leben von Grund auf neu lernen – diese Erfahrungen prägen Dich für dein ganzes späteres Berufsleben.
Mein großes Thema ist die Organisation von Supply Chain Management, der Logistik, der Lieferanten – das ist ein weites Feld. Ich bin von meiner Ausbildung her Maschinenbauingenieur mit Schwerpunkt Produktionstechnik. In meiner ersten beruflichen Station bei dem Energiekonzern ABB habe ich in einer operativen Einheit zusätzlich zur Produktion nach kurzer Zeit die Einkaufsverantwortung dazu bekommen. Diese Aufgabe habe ich als ein großes virtuelles Produktionsnetzwerk verstanden. Bei Jungheinrich startete ich zunächst als Produktionsleiter für Hubgerüste – schnell stellte sich die Frage nach einer besseren Teileverfügbarkeit für diesen Bereich. Daraus entwickelte sich der Aufbau des Supply Chain Managements, ein Schritt, der schließlich mein ganzes Berufsleben geprägt hat.
Campusforum: Supply Chain Management ist ein Schlüsselbegriff unternehmerischen Handels. Warum?
Dr. Oliver Lücke: Bei vielen Produktionsunternehmen kommen 80 Prozent oder mehr der benötigten Teile von Lieferanten. Deshalb ist es wichtig sich zu überlegen, wie dieses Netzwerk aufbaut wird, um die Lieferanten über die Logistik bestmöglich mit der eigenen Produktion zu verknüpfen. Nur so können möglichst reibungslose Herstellungsabläufe und eine hohe Qualität der Produkte gewährleistet werden.
Campusforum: Welche inhaltlichen Schwerpunkte legen Sie in der Lehre an der NORDAKADEMIE?
Dr. Oliver Lücke: Wichtig ist, die Zusammenhänge zu verstehen: Die Logistik und die komplexen Prozesse über Unternehmensgrenzen hinweg zu gestalten und zu organisieren – das ist oft schnell sehr abstrakt. Deshalb versuche ich, bei den Studierenden durch konkrete Beispiele und praxisrelevante Aufgabenstellungen ein Grundgefühl dafür zu vermitteln, wie Themen im Unternehmen miteinander vernetzt sind, wie sie voneinander abhängen – und zu erkennen: Was kann in der Praxis alles schief gehen und wie verhindere ich das? Das sind z. B. konkrete Problemlagen: Wenn auch nur ein Bauteil nicht da ist, steht das Produktionsband. Dabei müssen ständig Gewissheiten in Frage gestellt werden, um bessere Lösungen zu finden. Was gestern noch galt, ist heute möglicherweise überholt. In meinen Lehrveranstaltungen setze ich daher auf die Verknüpfung von Theorie und Praxis – mit dem Ziel, die Fähigkeit zu stärken, bestehende Ansätze zu hinterfragen und praxisgerechte Lösungen zu entwickeln.
Campusforum: Welchen Rat würden Sie Ihren Studierenden geben, die in ihrem Unternehmen Verantwortung übernehmen wollen?
Dr. Oliver Lücke: Erst einmal: Mach das, was dir am meisten Spaß macht. Denn nur dann engagierst du dich so, dass du auch Erfolg hast. Das Zweite ist: Gib nicht zu früh auf. Wenn es noch nicht gut ist, hast du noch nicht die richtige Lösung gefunden. Wenn du von etwas überzeugt bist, dann arbeite so lange daran, bis es funktioniert.
Interview: Joachim Welding