Nachbericht 64. Forum Politik und Wirtschaft

Thema Die Weltklimakonferenz in Dubai - Aktuelle Entscheidungen und künftige Herausforderungen

Reinhard Ueberhorst

Über das 64. Forum Politik und Wirtschaft zum Thema: Die Weltklimakonferenz in Dubai - Aktuelle Entscheidungen und künftige Herausforderungen

 

Gerne berichte ich über ein erneut spannendes und ertragreiches Forum Politik und Wirtschaft in der NORDAKADEMIE. Spannend war schon das Thema, was schon vorher an den erfreulich vielen Anmeldungen (über 90) deutlich wurde. Spannend und ertragreich wurde dieses Forum durch seinen produktiven Verlauf. Mit ihm wurden Einsichten in Aufgaben und Kompetenzen gewonnen, die als Schwachstellen der bisherigen internationalen Klimapolitik wahrzunehmen sind. Damit geht es um Prozesskompetenzen, insbesondere um konsenspolitische Kompetenzen in der globalen Klimapolitik. Das will ich genauer berichten.

 

Es war das vierte Forum zur Internationalen Klimapolitik in vier aufeinander folgenden Quartalen. Und das zweite, auf dem es um Weltklimakonferenzen ging. Wer an allen vier Foren teilgenommen hat, hat keine Wiederholungen erlebt, wohl aber erfahren, wie komplex das Themenfeld ist. Mit dieser Komplexität ist umzugehen, was uns auch zu der Herausforderung der schon erwähnten Prozesskompetenzen führt.

 

Auf dem ersten der vier Foren hatte Dr. Lambert Scheider vom Öko-Institut uns seinen Zugang zu internationalen Klimakonferenzen aus der Sicht der wissenschaftlichen Akteure vermittelt, die an ihnen mitwirken, um klimabezogene Wissensstände einzubringen. Nun folgte mit dem Parlamentarischen Staatssekretär aus dem BMWK Stefan Wenzel ein zweiter Zugang zu Weltklimakonferenzen, vorgetragen durch einen Referenten, der an mehreren dieser Konferenzen als Politiker teilgenommen hat, zuletzt als Mitglied der deutschen Verhandlungsdelegation an COP 28, der letzten Weltklimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in Dubai.[1] Diese Konferenz stand im Mittelpunkt seines Vortrags.

 

Über zwei Wochen war Wenzel aktiver Teilnehmer im „Team Deutschland“, wie sich die deutsche Verhandlungsdelegation in Dubai nannte. Auf früheren Klimakonferenzen war Deutschland durch das Bundesumweltministerium vertreten gewesen. Nun in Dubai durch drei weitere Bundesministerien: das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und das Auswärtige Amt, sprich das Außenministerium. Warum nicht auch das Finanzministerium im „Team Deutschland“ der Internationalen Klimapolitik vertraten war, wurde nicht erklärt. Der Referent hat aber vermittelt, dass auf der Konferenz „mehr Engagement bei der Reform des internationalen Finanzsystems und beim Schuldenerlass“ gefordert worden wäre. Er verwies auch auf einen Konferenzbeschluss, mit dem „neue innovative Finanzinstrumente und Reformschritte bei der internationalen Finanzarchitektur im kommenden Jahr“ gefordert wurden. Das war nur ein Hinweis von vielen auf die von ihm vorgetragenen Konferenz-ergebnisse, die wir auf seinen Vortragsfolien nachlesen können. Hier möchte ich mich auf die anschließende Diskussion und ihren Ertrag konzentrieren.

 

Der Ertrag des Forums war die gewonnene Einsicht in eine gebotene Entwicklungsarbeit für konsenspolitische Kompetenzen in der globalen Klimapolitik. Erkennbar wurde eine Entwicklungsaufgabe für politische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Akteure, an der also nicht nur Berufspolitiker und ihre Verwaltungen oder gar nur Akteure der Klimadiplomatie arbeiten müssen.

 

Wie wurde diese Einsicht in diese Aufgabe gewonnen? Im Vortrag des Referenten war die Aufgabe gar nicht angesprochen worden. Jedenfalls nicht explizit. Ihre Ansprache erfolgte erst in der Diskussion. Wir haben erlebt, wie ein offenbar anregender Vortrag aufgabenorientiert Zuhörende zu Diskussionsbeiträgen anregte, die ihn nicht explizit kritisierten, wohl aber so über ihn hinausgingen, dass der Referent das als konstruktive Kritik in der Form einer gebotenen wichtigen Ergänzung aufnehmen konnte.

 

Das war nur möglich, weil der Vortrag sich nicht an der Erkenntnis vorbeigemogelt hatte, dass wir im Internationalen Klimaschutz noch nicht auf dem Zielweg sind. Wenzel wörtlich: „Wir sind noch nicht auf dem Zielpfad!“; ich ergänze, so wie er mit dem Pariser 1,5-Grad-Ziel von der Staatengemeinschaft als anstrebenswert verabredet wurde.

 

Der ehrliche analytische Befund des Referenten war eine unausgesprochene Einladung für das Auditorium, gebotene Verbesserungsmöglichkeiten zu thematisieren. Den kritischen Befund hatte der Referent sehr früh in seinem fast einstündigen Vortag artikuliert, ohne sich länger auf seine Ursachen einzulassen oder gar auf das heikle Zukunftsthema, ob und womit wir erfolgreicher als bisher in der internationalen Klimapolitik auf erfolgreiche globale Lern- und Verständigungsprozesse hinwirken könnten. Diese Fragestellung hatte er nicht aus den drei Fragen herausgelesen, die wir ihm vorher für diese Veranstaltung übermittelt hatten.

 

In seinem Vortrag folgte der Referent seinem Verständnis dieser Fragen:

 

  • Wie arbeiten und was leisten „Weltklimakonferenzen“?
  • Was wurde mit der letzten Konferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Dubai erreicht?
  • Welche klimapolitischen Konflikte und Herausforderungen sind damit bislang nicht geklärt oder gar befriedigend gelöst?

Seine Antworten auf diese Fragen hatte er in Kernaussagen ausgearbeitet, die er mit Folien präsentierte, die über einen Link am Ende dieses Berichts zugänglich sind.

Nach dem Vortrag folgte die eingangs hervorgehobene produktive Diskussion.

 

 

DIE PRODUKTIVE DISKUSSION

 

An der Diskussion beteiligten sich Studierende, Bürger:innen und auch zwei frühere Referenten früherer Foren, Bundesminister a.D. Dr. Volker Hauff und Dr. Roland Lappin, bis zum Januar dieses Jahres CFO der HHLA.

 

Einleitend wurde vom Moderator angeregt, nicht nur auf den Inhalt des sehr informativen Vortrags einzugehen, sondern auch zu fragen, was denn in die offenbar erfolgreichen, aber nicht hinreichend erfolgreichen internationalen Verständigungsprozesse mehr Bewegung und mehr Erfolgschancen hineinbringen könnte. Mehr Geld? Bessere, neue Argumente? Mehr Erwartungsdruck durch öffentliche globale Kommunikation und Meinungsbildung in den Zivilgesellschaften? Weiteres?

 

Das war vielleicht eine überflüssige Anregung, denn diejenigen, die sich zu Wort meldeten, hatten wohl schon in diese Richtung gedacht. Alle Diskussionsbeiträge vermittelten mit unterschiedlich akzentuierten Zugängen eine aufgabenorientierte Sicht, die sich kurz zusammenfassen lässt: Wenn die bisherigen Erfolge ungenügend waren, lag das nicht an einem Mangel an Wissen über die Herausforderung und auch nicht an einem fehlenden Wissen über effiziente klimapolitische Handlungskonzepte. Das Schlüsselthema stellt sich mit den Fragen: worauf können sich die Staaten dieser Welt einigen? Was bestimmt das Ausmaß möglicher Verständigungen? Wie können Hindernisse für gemeinsame Lern- und Verständigungsprozesse erkannt und überwunden werden? Und wie können neue Potentiale erschlossen werden, um diese Prozesse erfolgreicher und folgenreicher zu erreichen? In guten Antworten auf diese Fragen sind größere konsenspolitische Kompetenzen für die internationale Klimapolitik zu finden.

 

Die unterschiedlichen Zugänge:

 

  • Ein Bürger stellte die Frage, wer denn mit dem „Wir“ gemeint wäre, auf das der Referent sich so oft bezogen hätte. Der Referent räumt ein, verschiedene „Wir“ gemeint zu haben. Unter anderem: die Europäische Gemeinschaft, die Partner in der Regierungskoalition, die Teilnehmerstaaten in Dubai … Der Diskutant plädierte für eine deutlichere Differenzierung zwischen „wohlhabenden und ärmeren Leuten und Ländern“, die ganz unterschiedlich von der Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen betroffen wären. Dem konnte der Referent folgen.
  • „Warum passiert so wenig?“ wollte eine Bürgerin wissen und provozierte mit der in dieser Frage implizierten These zuerst einmal den Widerspruch unseres Referenten. In seinem Vortrag hatte er ja diverse Fortschritte beschrieben, die in Dubai beschlossen worden wären. Von den Ausbauzielen für erneuerbare Energien, über Ziele zur Effizienzverbesserung oder zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien. Allerdings hatte er auch selbst in seinem Vortrag einige Erfolge explizit differenzierter als auf seinen Folien angesprochen, hatte zum Beispiel zum erfolgreichen Ausstiegsbeschluss zur Kohle explizit die großen Kohle verbrennenden Länder Indien und China benannt, die diesem Beschluss nicht zugestimmt haben. Als großen Erfolg hatte er den Loss and Damage Fund erwähnt, für den jetzt Zusagen von 792 Mio. US $ vorlägen, initiiert durch ein Startkapital in Höhe von je 100 Mio. US $ von den VAE und Deutschland, ohne auf dessen kritische Würdigung im Lichte des Gebotenen einzugehen, womit die Zu-wenig-These begründet wird[2].
  • Einer anderen These derselben Diskutantin stimmte Wenzel aber zu. Es sei richtig, sich nicht an entmutigenden „Horrorszenarien“ zu orientieren. So hatte er ihren Hinweis verstanden, dass man „bei Menschen Spaß an Veränderungen“ wecken sollte, wenn es um Veränderungen zugunsten des Klimaschutzes ginge.
  • Ein nächster Diskutant wollte – von der internationalen zur nationalen Klimapolitik wechselnd – vom Referenten wissen, ob wir auch in Deutschland noch nicht auf dem Zielpfad wären. Er fragte: „Hinken wir hinterher?“ Dies musste der Referent bejahen, mit Hinweisen insbesondere auf die Bereiche Verkehr und Wohnen.
  • Nach diesem kurzen Themenwechsel kehrte die Diskussion zur internationalen Klimapolitik und ihren Schwachstellen zurück. Mehrere Redner wollten, auch in Erinnerung an die von Professor Gesang eingebrachte Argumentation, unsere Leistungsziele nicht auf quantitative nationale Reduktionsziele und ihre Erreichung fokussiert oder gar beschränkt sehen. Es gelte stärker zu fragen, wozu wir uns international verpflichtet sehen und ob wir dem gerecht werden. Dies wiederum nicht nur finanziell und durch technologische Angebote, sondern vermehrt auch durch Beiträge, mit denen wir „die konsensorientierte Meinungsbildung vorantreiben“ können. Auf die großen Konferenzen werde man nicht verzichten. Aber: Gebraucht würden „zusätzliche Prozesse, um die Diskussion ernsthafter zu machen“. Niemand erwartete, dass irgendjemand hier und jetzt ein klares Bild dieser neuen Prozesse vorstellen könnte. Unklar sei aber, ob und ggf. in welcher Anlage dies in der Regierungsarbeit überhaupt ein Thema ist, an dem gearbeitet werde. Der Referent sah es in der Arbeit im Auswärtigen Amt aufgenommen. In den Diskussionsbeiträgen war es auch als Thema für wissenschaftliche Institutionen und zivilgesellschaftliche Akteure und auch für international tätige Unternehmen angesprochen worden.

 

In der Abfolge dieser Beiträge wurde die eingangs herausgestellte Einsicht in ein Aufgabenfeld, in dem es mehr zu leisten gelte, zunehmend deutlicher. Auch der Referent, der über diese Perspektive in seinem Vortrag nicht gesprochen hatte, stimmte zu, dass es in der Internationalen Klimapolitik „notwendig sei, andere, neue Formen der globalen Meinungsbildung“ zu befördern.

 

Dies ist, so meine ich, eine Entwicklungsaufgabe, an der sich kreative demokratische Gesellschaften und ihre Organisationen und Institutionen in der Entwicklung ihrer globalen Politikfähigkeit in diesen Jahren bewähren müssen. Nicht nur aus Gründen einer effizienten Klimapolitik, für die wir mehr globale Verständigungserfolge erreichen müssen. Eine erfolgreiche Klimapolitik hat, worauf eine besorgte Diskutantin uns hingewiesen hatte, auch eine große Bedeutung für junge Menschen und ihr Vertrauen in unsere demokratische Politikfähigkeit. Dieses Vertrauen zu stärken und zu erhalten sei von großer Bedeutung für die Zukunft unserer Demokratie. So argumentierte sie für die Aufgabe, junge Menschen mit einer engagierten, erfolgreichen Klimapolitik den Nutzen und Wert von demokratischer Politik erfahren zu lassen. Wir wissen nicht, wer diese Aufgabe aufgreifen und kreativ bearbeiten wird. Wer an diesem Forum teilgenommen hat, oder die mit ihm aufgezeigten Einsichten aufgabenorientiert teilt, hat aber gute Gründe, dies im Auge zu behalten und sich aktiv einzubringen.

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Studierende und Alumni der NORDAKADEMIE haben die Möglichkeit, im Seminar „Politik und Wirtschaft – Basiswissen und -kompetenzen“ die hier angesprochenen Themen zu vertiefen. Die Vortragsfolien des Referenten sind über den nachstehenden Button zugänglich.

 

[1] Auf den beiden andere Foren in dieser kleinen Reihe zur Internationalen Klimapolitik referierte der Philosoph Bernhard Gesang zu der Frage, welchen Nutzen „die Philosophie“ – für ihn eine utilitaristische Ethik – in der Klimapolitik haben könnte (und sollte) und danach vermittelte uns die Direktorin der Stiftung Klimaneutralität und Diplompolitologin Regine Günther die Bedeutung resilienter Lieferketten für die Transformation zur Klimaneutralität. Zu allen genannten Foren sind Berichte und Nachbetrachtungen auf der Website der NORDAKADEMIE zu finden.

[2] https://www.theguardian.com/environment/2023/dec/06/700m-pledged-to-loss-and-damage-fund-cop28-covers-less-than-02-percent-needed